Gut eine Woche sind wir nun schon wieder zurück in Deutschland und haben uns schon wieder unserem Alltag gefügt. Die Reise nach Japan und das Erlebte werden uns aber noch für sehr lange Zeit begleiten. Wenn wir in unserem zukünftigen Berufsleben Lean leben werden, so werden wir stets die Eindrücke aus Japan als unseren „Nordstern“ vergleichen.
Wir bedanken uns ausdrücklich bei Herrn Dörich von Südwestmetall und Herrn Classen für die tolle, studentengerechte Organisation der Reise. Durch die unglaubliche Expertise unserer beiden fachlichen Begleiter war es uns erst möglich, so viel zu erfahren und auch die versteckten Details – sei es bei den Unternehmen oder generell in Japan – zu erkennen. Bedanken möchten wir uns auch bei all unseren Sponsoren, welche durch ihre Unterstützung die Reise erst ermöglicht haben.
Beeinflusst und auch beeindruckt werden wir fortan den Gedanken des Toyota-Produktionssystems in Deutschland vorantreiben und versuchen eine Brücke zwischen dem Erlebten und den deutschen Unternehmen zu bauen. Bei Interesse freuen wir uns über Anregungen und Diskussionen zu unseren Erlebnissen und kommen gerne mit Japan- und Lean-Interessierten in Kontakt.
Tokio ist mit knapp 10 Millionen Einwohnern (37 Millionen in der Metropolregion) die mit Abstand größte Stadt und somit auch Hauptstadt Japans. Die Stadt ist heute das Industrie-, Handels-, Bildungs- und Kulturzentrum Japans mit zahlreichen Universitäten, speziellen Stadtvierteln, Sehenswürdigkeiten und Museen.
Highlights sind z.B. das Stadtviertel Akihabara, auch Electronic Town genannt, wo sämtliche Häuserfassaden mit Leuchtreklamen überhängt sind. Man findet dort Elektroartikel aller Art, aber auch die Manga-Kultur hat ihr Herz in diesem Stadtviertel. Manga-Cafés werden durch junge, verkleidete Frauen angepriesen und Zeichnungen, wie Bilder schmücken die Straßen.
Wer früh aufsteht kann in Tokio den größten Fischmarkt der Welt erleben und besichtigen. Der Tsukiji-Fischmarkt ist ein lebendiger Ort, wo man den frisch gefangenen Fisch von der Auktion bis in die kleinen Küchen an den Straßenecken beobachten kann. Besonders beeindruckend sind die riesigen Tunfische, welche bis zu 700kg schwer sein können. Wir sind uns einig, Tunfisch ist vor allem in rohem Zustand als Sushi köstlich zu verspeisen.
Wer in die Geschichte Japans eintauchen möchte kann im Stadtviertel Asakusa zahlreiche Museen besichtigen. Das größte ist dabei das Japan National Museum mit Kunst- und Kulturgeschichte Japans. Der Kaiserpalast und seine Gärten sind ebenfalls nicht zu missen. Der Palast thront im Herzen Tokios und ist von beeindruckend massiven wie hohen Steinmauern umgeben. Die sauberen Parkanlagen haben in der Mittagshitze den ein oder anderen auch zu einem Nickerchen verleitet.
Bei jedem Besuch einer Megacity darf ein Blick von „oben“ nicht fehlen. Auch wenn der Tokio Skytree Tower eines der höchsten Gebäude der Welt ist, entschieden wir uns für die kostenfreie Alternative des Metropolitan Gouvernement Buildings, welches zwei Aussichtsdecks auf 202 Metern Höhe bietet. So konnten wir einen Sonnenuntergang über den Dächern Tokios genießen.
Was in Tokio natürlich auch nicht fehlen darf, ist ein Besuch der bekannten Einkaufsviertel Shibuja und Ginza. Die Menschenmassen sind gigantisch anzusehen und in den Geschäften wird jeder fündig – egal welchen Geschmacks und welcher Preiskategorie. Typische Souvenirs konnten wir auch in den Stadtvierteln Asakusa und Ueno finden. Einige von uns deckten sich auch mit den für Japan bekannten, qualitativ außergewöhnlichen Küchenmesser ein, die man z.B. in Kyobashi finden konnte.
Trotz ihrer Größe und den teils unterschiedlichen U-Bahn-Gesellschaften ist Tokio gut organisiert, eine absolut saubere Stadt und hat uns stets freundlich beeindruckt. Am 7. Oktober hatten wir noch eine Geburtstagsfeier, die wir mit leckerem Sushi einläuteten und mit einer Karaoke-Einlage nahe Rappongi, dem Nachtviertel Tokios feierten. Wir werden die Stadt vermissen und kommen gerne wieder.
In der zweiten Woche unserer Japan-Tour reisten wir in kleinen Gruppen durch Japan und besichtigten die unterschiedlichsten Städte und Attraktionen des Landes.
Im Süden stand vor allem Kagoshima und Beppu auf dem Programm. Kagoshima ist eine Küstenstadt an einer großen Meeresbucht, in deren Mitte, direkt östlich vor dem Stadtzentrum, sich der aktive Vulkan Sakura-jima befindet. Die letzte Eruption war im August 2015. Dennoch zog es einige von uns bis auf die Spitze des Vulkangipfels. Beppu dagegen beeindruckt mit seinen 3700 heißen Thermalquellen und 168 öffentlichen Bädern. Auch wir besuchten die traditionellen Bäder und ganz mutige trauten sich sogar zu einem heißen Sandbad. Beppu gilt als die umweltfreundlichste der Welt, da sie jegliche Energie aus den heißen Quellen gewinnt. Zwar hat die Stadt nur etwa 120.000 Einwohner, beherbergt jedoch rund 12 Millionen Touristen jedes Jahr.
Weiter ging es für alle nach Hiroshima – die Stadt des Friedens! Am 6. August 1945 wurde die erste Atombombe um 08:15 Uhr in 600 Metern Höhe über der Stadt Hiroshima gezündet. Nur 0,5 Sekunden später zerstörte eine Druckwelle von 35 t/cm^2 die Stadt im Umkreis von 2,5 km. Die Hitzewelle von bis zu 4500 Grad Celsius auf der Oberfläche verbrannte alles zu Asche. Im Zentrum der nuklearen Wolke herrschten eine Million Grad Celsius. Innerhalb einer Sekunde starben 60.000 Menschen und wurden komplett verbrannt. Im Laufe der folgenden Woche starben durch den Angriff insgesatm 200.000 Menschen und die Stadt inklusive aller Krankenhäuser und Hilfsgüter wurde zerstört. Die freigesetzte Radioaktivität zersetzte die DNA der Überlebenden und führte zu qualvoll sterbenden Opfern – noch Monate später. Heute erinnern das das Friedensmuseum und den Friedenspark an diese Zeit und lassen die traurige Vergangenheit wirken. Wir waren von der eindrucksstarken Ausstellung tief bewegt.
Für viele von uns ging es dann noch mit dem Zug zur Fähre, die uns nach Myajima brachte. Der riesige Schrein befindet sich im Wasser und ist der wohl bekannteste von ganz Japan. Bei Ebbe kann er auch zu Fuß erreicht werden.Schweißgebadet erreichten wir dann noch den über 500m hohen Berg der Insel und genossen die atemberaubende Aussicht auf die Inselwelt Japans und die Bucht von Hiroshima.
Für einige von uns standen auf der Weiterreise auch Besuche von Nara, Kobe und nochmals Kyoto an. Für fast alle ging es jedoch danach noch nach Nikko. Die Stadt liegt etwa 150km nördlich von Tokio in den Bergen und ist aufgrund der vielen historischen Gebäude und Denkmäler ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen wie auch Japaner. Der Nikko Toshogu Tempel z.B. ist das Mausoleum des ersten Shoguns und gehört wie zwei weitere Gebäude zum UNESCO-Weltkulturerbe. Auf einer Fassadenschnitzerei des Tempels befindet sich auch das Wahrzeichen Nikkos, die drei Affen, die nichst (Böses) sehen, hören und sagen. Weiter in den Bergen befindet sich der Kegon-Wasserfall mit über 100 Metern Sturzhöhe und ein großer Stausee. Ein paar versuchten sich hier auch als Bergsteiger und erklommen mehrere hundert Höhenmeter bis auf 1700 Metern über dem Meeresspiegel. War es während der Reise fast ausnahmslos heiß und schwül, so waren die Temperaturen auf diesen Höhen sehr frisch.
Abschließend ging es für alle Gruppen nach Tokio, wo wir wieder zusammen kamen.
Zum Abschluss des letzten Tages wartete nochmals ein besonderes Highlight auf uns:
Ein Treffen mit Herrn Takenouchi, einer ehemaligen Führungskraft von Toyota. Dieser hat es geschafft, als einer der wenigen Quereinsteiger bei Toyota eingestellt zu werden und verantwortete zum Ende seiner beruflichen Laufbahn ein Team von mehreren hundert Mitarbeitern in der innerbetrieblichen Logistik.
Nach der kurzen Vorstellung sind wir direkt in die Fragestunde eingestiegen und diese entpuppte sich als eines der Highlights unserer Reise. Herr Takenouchi beantwortete all unsere Fragen sehr ausführlich mit seiner gewaltigen Expertise aus der ganz eigenen Toyota-Perspektive.
Nach einigen technischen Fragen zur Werkslogistik behandelten wir vor allem die Frage, wie es Toyota gelingt, dass alle Mitarbeiter die Kultur des Toyota Produktionssystems verinnerlichen und tatsächlich danach handeln. Herr Takenouchi erklärte uns hierbei ausführlich den standardisierten Ausbildungsplan, der sich über die gesamte lebenslage Betriebszugehörigkeit erstreckt. Gerade hier überließe Toyota nichts dem Zufall.
Besonders hervorzuheben ist, dass jeder Mitarbeiter in den ersten sieben Jahren die exakt gleiche Ausbildung erhält und hier vor allem die persönliche Entwicklung des Menschen im Mittelpunkt steht. Auch bei der Einarbeitung am Arbeitsplatz ginge Toyota einen Sonderweg. Es wird wesentlich mehr Zeit in die persönliche Betreuung durch einen erfahrenen Coach investiert als bei anderen Unternehmen.
Uns wurde nun klar, welchen gehörigen Aufwand Toyota in den Erhalt der eigenen Unternehmenskultur steckt. Diese ist der wirkliche Schlüssel zum Erfolg des Unternehmens!
Lean ist eindeutig mehr als das bloße Anwenden von Methoden! Lean ist eine gelebte Unternehmenskultur der Verbesserung.
Apropos Lean – bei der Verabschiedung von Herrn Takenouchi mit einem Geschenk unserer Hochschulgruppe zeigte sich einmal mehr, dass dieser Begriff in Japan komplett unbekannt ist – wir würden nämlich sehr erstaunt gefragt ob Lean denn etwas mit Knochen zu tun habe.
Nach einem gemeinsamen Abendessen mit Köstlichkeiten der Region ging es dann tatsächlich noch in eine Karaoke-Bar, wo wir den Abschluss einer wahrhaft gelungenen Studienreise feierten. Ein ganz großer Dank an Herrn Classen und Herrn Dörich für diese unvergessliche Woche. Wir nehmen unfassbar viele Eindrücke mit nach Deutschland, die wir sicherlich noch ein paar Tage verarbeiten werden und streuen werden.
“Good product – good idea” – Das ist das Motto des Vorzeige-Werkes der Marke Lexus von Toyota (über eine Million Besucher seit Start of production 1992). Hier werden die Modelle RX, CT, NS und HS hergestellt.
In dem 1 km² großen Werk werden von 9300 Mitarbeitern 430.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert.
Die Mitarbeiter arbeiten im Zweischichtsystem von ( 6:00 – 14:45 / 16:00 – 00:45 ). Hierbei ist die Taktzeit pro Auto variabel und wird monatlich an die Auftragslage angepasst. Die Durchlaufzeit eines Autos von Presswerk bis zum Ende der Montage beträgt 19 Stunden. Möglich wird dies unter anderem dadurch, dass es keinen Puffer zwischen Lackiererei und Endmontage gibt. Im Miyata Plant stellt Toyota Fahrzeuge her, die zu 90% für den ausländischen Markt bestimmt sind.
Nachdem wir uns einen ersten Eindruck über die Produkte geschaffen haben, sind wir per Bus an die Montagelinie gefahren und haben unsere Besichtigung gestartet. Dabei haben wir als Gruppe die folgenden Eindrücke gesammelt:
Broschüre 2
Angefangen bei der Montagelogistik zeigt sich, dass keine Gabelstapler in die Montage und innerhalb der Montage fahren. Dies dient dem Vermeiden der Verschmutzung von außen. Routenzüge und fahrerlose Transportsysteme stellen weitestgehend vorkommissioniertes Material an der Linie bereit (ca. 30.000 Komponenten pro Auto, ca. 90 mögliche Spiegelvarianten). Dabei ist bemerkenswert, dass auch viele Vormontage-Tätigkeiten von den Logistik-Mitarbeitern der Bandmontage vorgelagert durchgeführt werden.
Die Montagestationen sind flexibel gestaltet, sodass die Montagereihenfolge, wie auch der Arbeitsinhalt pro Station verändert werden kann, was eine Voraussetzung für den stationsbezogenen Kaizen (Verbesserungsprozess) ist.
Wie bei Toyota erwartet, stecken die pfiffigen Lösungen im Detail. Zum Beispiel werden alle KLT (Kleinladungsträger) nur mit durchsichtigen Deckeln abgeschlossen, sodass der Mitarbeiter stets visuell über den Inhalt Bescheid weiß.
Zur Montage:
Schrauben angebracht an der Stoßstange mit Tüten und Klebestreifen (vorkommissioniert)
Handhabungsgeräte, welche in Schienen geführt sind und flexibel auf die Stationen verteilt werden können
Zum Produktionssystem:
Andon-Board an der Linie und über alle Linien
Unterstützung durch Hanchos an der Linie mittels Rufknopf direkt am Montagewagen
Automatisierung nur dann wenn die Arbeit (Ergonomie) für den Menschen zu anstrengend ist (Reifenmontage)
Niedrige Bestände an der Linie und alle Teile sind vorkommissioniert und in Sequenz
Stop-Kreuzungen: Mitarbeiter und Routenzüge stoppen und schauen (und zeigen aktiv mit dem Finger) nach rechts, links, oben, unten und überqueren erst dann den Kreuzungsbereich
Geradeausläuferquote von 99,5%
Verbesserung sind schnell umsetzbar, weil die Linieninfrastruktur einfach und flexibel gestaltet ist.
Zuführungen aus Kunststoff oder Schaumstoff
Der Besuch bei Toyota war zum Abschluss der Reise noch ein weiteres Highlight. Als nächstes steht die Diskussion mit einer ehemaligen Toyota-Führungskraft an.
Nach einer kurzen Nacht ging es heute Morgen in das ländliche Mitsugane. Eine einstündige Wanderung führte uns frisch und munter zum Werk von Shimane Fujitsu. Dort wartete bereits ein freundlicher Empfang auf uns.
Im Anschluss an eine kurze Unternehmenspräsentation startete direkt die Werkstour, bei der wir den kompletten Herstellungsprozess von Fujitsu-Geräten erleben durften. Dieser unterteilt sich in die überwiegend automatisierte Motherboard-Fertigung und die Montage, die größtenteils manuell erfolgt.
Die Renner-Typen werden an vollständig automatisierten Fertigungslinien hergestellt. Exoten dagegen beinhalten einen manuellen Arbeitsanteil, da Menschen auf sich verändernde Tätigkeiten flexibler und schneller reagieren können als Roboter und automatisierte Anlagen. Bei der Entscheidung für eine Automatisierung gegenüber einer manuellen Fertigung werden bei Shimane Fujitsu primär die Kriterien Invest, Flexibilität, Geschwindigkeit und Fehlerrate herangezogen.
In der Montage hat uns besonders die hohe Flexibilität bei der Austaktung fasziniert. Diese kann und wird bei Bedarf innerhalb einer Schicht mehrfach verändert. Hintergrund ist die zeitnahe Reaktion auf eine sich verändernde Nachfrage, die den Model-Mix bestimmt. Voraussetzung für diese Flexibilität ist die vorausgehende Planung mehrerer Szenarien für Taktzeiten im Bereich von 45 bis 90 Sekunden sowie entsprechend gut qualifizierte Mitarbeiter.
Wir bedanken uns bei Shimane Fujitsu für diesen rundum gelungenen Unternehmensbesuch und die vielen interessanten Denkansätze. Mit vielen Ideen im Gepäck setzten wir die Reise zu unserem nächsten Ziel nach Fukuoka fort.